Der Lauf des Lebens
Hallo Freunde,
unser 14jähriger jüngster Enkel hat mir geschrieben und mir alles Gute für mein neues Lebensjahr gewünscht. Lapidar fügte er hinzu: Mach das Beste draus.
Daraufhin bin ich mit Kiki in den Norden zum 90 Mile Beach gefahren. In der wärmenden Abendsonne, was wohltut im Herbst des Lebens, habe ich unter kritischer Beobachtung ein wenig gegolft. Kiki meinte, eine 81er Runde werde ich nie wieder in meinem Leben spielen.
Das Leben ist schon eine seltsame Erfindung der Natur. Hilflos wird man in die Welt geboren, ist auf Füttern, Hege und Pflege angewiesen, um sich im späteren Leben an keinen Tag dieser Frühzeit mehr zu erinnern. Der einzige Beweis, dass es so war, wie es war, sind die alten Fotoalben, in denen wir uns begegnen, auf vergilbten schwarz-weiß Fotos im Kinderwagen winkend, zu Besuch im Matrosenanzug bei Oma und Opa, im Taufkleid, im Sandkasten, das erste Aktfoto in der Badewanne.
Sowie man das Laufen erlernt hatte, lief man los, egal wohin, Hauptsache man lief. Man wollte das Morgen erleben, das wichtiger war als das Gestern. Der Blick, das Handeln war auf die Zukunft gerichtet, und schnell musste es sein.
Bis sich eines fernen Tages die Kerzen auf dem Geburtskuchen drängeln und man anfängt langsamer zu schreiten. Das Knie, der Rücken, das Herz bremsen, die Zukunft wird unklarer, die Dioptrienzahl bestimmt die Sicht, das Hören schwächelt, dafür wird der Tinnitus lauter. Man ist nicht mehr so bissig, zur Freude des Ehepartners und der Zahnärzte.
Da dieser Zustand, diese Verlangsamung auf Dauer schwer auszuhalten ist, erfand der Mensch das Auto, das Flugzeug, das Kreuzfahrtschiff, das Internet. Und plötzlich begann das Leben wieder zu rasen. Corona hat uns ein wenig ausgebremst. Wenn dieses verdammte Virus nicht so klein wäre, würde ich ein Foto von ihm machen und in mein Foto-Album einkleben, zur Erinnerung an die gute, alte Zeit.
Seid wie immer herzlich gegrüßt
Euer Helme
P.S. Wenn alles gut geht, sind wir in 3 Wochen in Europa!!!!!!!