
(Un-)Ordnung
Hallo Freunde,
Samstagnachmittag. Ich sitze mal wieder in meinem Studio, in meiner geistigen Kathedrale, während die anderen den Golfschläger schwingen. Ich denke darüber nach, was ich Euch heute aus Russell berichten darf.
Jetzt warte ich darauf, was mein Kopf meiner Hand einflüstert, um es auf Papier zu bringen. Vorsichtig geht es dabei zu. Unbeholfene, tastende Wörter formen erste Sätze, um sofort wieder gelöscht zu werden. Wie heißt es so wunderbar unter Autoren: Schreiben ist leicht, man muss nur die falschen Wörter fortlassen. Wie lang sollte ein Satz werden, fragt die Hand das Hirn? Das antwortet spontan: Wenn einem Autor der Atem ausgeht, werden die Sätze nicht kürzer, sondern länger.
Also versuche ich, mich kurz zu fassen. Mir geht es gut. Ich bin bald 84 Jahre auf dieser Erde. (Ohne KiKi gäb´s mich wahrscheinlich schon längst nicht mehr.) Erst in diesem Alter habe ich mich erinnert, dass mein alter Physiklehrer Dr.Raban recht hatte, als er mir als Pennäler vorhielt, dass ich ein leuchtendes Beispiel für den 2.Hauptsatz der Thermodynamik sei. Zur Erinnerung: Dieser besagt, dass die Entropie, die Unordnung in der Welt, ja im ganzen Universum, stetig zunimmt.
Erst mit fast 84 Lebensjahren begreife ich, dass diese wachsende Unordung nicht nur meinen Schreibtisch betrifft, sondern auch die Politik und den Alltag, in dem wir leben. Auch mein alternder Zellverbund unterliegt diesem naturwissenschaftlichen Prozess, stemmt sich gegen eine anwachsende Unordnung, bis er eines Tages aufgibt, um Platz zu machen für neues Leben und neue Versuche erlaubt, sich gegen diese zunehmende Unordnung zu stemmen.
Ich beneide die Kaninchen, die in ihrer Hasenschule nie vom 2. Hauptsatz der Thermodynamik gehört haben. Sie fürchten nicht die Entropie, die Unordnung, sondern hoffen nur darauf, dass die Karotten und Tomaten in unserem Garten nie ausgehen und frisch verzehrt werden müssen, sonst schmecken sie nicht.
Seid herzlich gegrüßt
Euer Helme